Rückblick Jahresplanung 2016: Eigentlich wollte ich ja wieder den Ultra Mallorca laufen – doch nachdem es immer unklarer wurde, ob er überhaupt stattfinden sollte, suchte ich nach einem neuen Frühjahrshighlight für 2016. Meine Wahl fiel dabei auf die Läufe in Niederbronn-les-Bains, vor allem, nachdem ich bereits im November an einem Berglauf, der Montée du Wintersberg, die vom gleichen Veranstalter ausgerichtet wird, teilgenommen hatte und total begeistert von der Strecke war. Noch dazu gerade mal eine Stunde Fahrt von zu Hause entfernt – perfekt! Bei diesem Event gab es gleich mehrere Läufe zur Auswahl: Samstags 76 km, Sonntags 59, 25 oder 12 km – oder eine Kombination daraus. Ich entschied mich natürlich für die längste Kombi, die Intégrale: Samstag 76 km und sonntags dann nochmal 59.
Nun lief die Vorbereitung nicht besonders gut, und ich zweifelte immer mehr daran, ob ich diese heftige Kombi überhaupt schaffen könnte. Eine Woche vor dem Lauf kontaktierte ich dann den Veranstalter und bat darum, in die kleinere Kombi wechseln zu dürfen: Challenge des Seigneurs – 76 + 25 km – das erschien mir doch besser bewältigbar. Und da die Läufe bereits längst ausgebucht waren, überließ mir mein Freund Robert seinen Startplatz für den 25er.
Erste Etappe Samstag: Défi des Seigneurs 76 km 2500 D+
Für die erste Etappe hieß es richtig früh aufstehen, denn Start war um 7:00 Uhr. Mit 1:15 h Fahrtzeit und dem nötigen Puffer eingerechnet klingelte mein Wecker um Punkt 4:00 Uhr! Schlimm für eine Nachteule wie mich, früh einschlafen fiel mir wie immer vor solchen Veranstaltungen schwer und so musste ich eben mit einer Netto-Schlafzeit von 3 Stunden auskommen…bei einer geschätzten Laufzeit von 11 Stunden sicher nicht das Optimum.
Beim Start fühlte ich mich allerdings überhaupt nicht müde, bloß mit den Temperaturen hatte ich nicht gerechnet: 0,5 °C in Niederbronn, unterwegs zeigte mein Autothermometer sogar kalte –2 °C. Also zog ich kurz vorm Start doch noch meine Kompressionsbeinlinge an, die eigentlich für danach gedacht waren, und auch meine Jacke, die ich allerdings gleich beim ersten Anstieg schon wieder loswerden musste. Und dieser erste Anstieg hatte es auch richtig in sich!
Die ersten 4 km ging es erstmal nur hoch, aber genauso lange auch wieder runter. Bei solchen Gelegenheiten mache ich dann auch meistens meine Trailbekanntschaften, wenn die starken Kletterer mich bergauf überholen und ich dann beim Downhill wieder von hinten aufhole. Alles in allem verliefen aber die ersten 26 km zum ersten VP in Lembach recht unspektakulär, gut laufbar durch Wälder und Felder im Wechsel. Bis auf meine Schuhwahl! Aus Gewohnheit hatte ich mich für die schweren Ultra Raptor entschieden – doch bereits auf den ersten 5 km fühlten sie sich wie Klötze an meinen Füßen an – war ich doch in den letzten Wochen fast ausschließlich in Minimalschuhen gelaufen. Letztes Jahr beim Ultra Mallorca hätte ich die schweren Bergschuhe gebraucht – aber doch nicht hier, auf heimischem Waldboden! Die nächsten 70 km würde ich dieses Gewicht noch mit mir rumschleppen müssen! Am liebsten hätte ich die Schuhe gleich ausgezogen und wäre barfuß weiter – doch das wagte ich auch nicht. Ich überholte eine Läuferin mit Hasenöhrchen auf dem Kopf und Vibram Five Fingers an den Füßen – was hätte ich jetzt darum gegeben, mit ihr tauschen zu können und leichtfüßiger weiterzulaufen! In den nächsten Stunden hatte ich noch genug Zeit, über dieses Thema zu meditieren.
Doch nun hieß es erstmal wieder berghoch – ein richtig steiler Anstieg ab VP1 führte uns nun zu dem Teil der Strecke, die dem Lauf ihren Namen gegeben hatte. Denn Seigneur bedeutet Burgherr – und ab jetzt ging es vorbei an einigen mehr oder weniger gut erhaltenen mittelalterlichen Burgruinen entlang der deutschen Grenze. Nun wechselten sich lange Anstiege mit steilen, technischen Downhills ab, und dazwischen auch immer wieder Passagen, die gar nicht laufbar waren: Kletterpartien über gefällte Bäume und jede Menge Gestrüpp.
So langsam meldete sich auch mein Piriformis wieder zu Wort, der mir in den letzten Wochen des Öfteren Probleme gemacht hatte. Bergauf ging es jetzt nicht mehr ganz so gut, und auch die längeren Flachpassagen dazwischen fühlten sich nicht mehr so locker an. Zum Glück lief es im Downhill noch besser – und bis zu VP 2 bei km 45 ließ ich es einfach rollen. Hier entledigte ich mich auch meiner Kompressionsbeinlinge – die Beine fühlten sich gleich schon viel besser, freier an! Und ich konnte den Abschnitt bis zum nächsten VP schon viel viel besser und entspannter laufen! Teil 2 meiner Meditation: Manchmal hängen wir uns nicht nur Klötze ans Bein, sondern engen uns auch noch zusätzlich ein, obwohl es viel freier, viel einfacher sein könnte!
Ab km 60 lief es dann nicht mehr ganz so rund, und ich musste zwischendurch öfter mal wieder gehen – und nun folgte der steilste und längste Anstieg der Strecke, den Wintersberg hoch. Den ein oder anderen Läufer musste ich vorbeiziehen lassen, unter anderem auch die Läuferin mit den Hasenohren, die leichtfüßig in gleichmäßigem Rhythmus in ihren Barfußschuhen an mir vorbeischwebte.
Endlich der letzte VP am Grand Wintersberg! Eine kurze Rast sollte mich für den letzten Abstieg nochmal fit machen. Einer der Helfer oben meinte: „Noch 1,5 Stunden, dann habt ihrs geschafft!“ 1,5 Stunden? Es waren doch nur noch 9 km und es ging laut Profil nur noch bergab?!? Weit gefehlt! Irgendwie hatte ich noch den Abstieg vom Berglauf im November im Kopf, da war das so.
Aber hier wechselten sich nach einem kurzen Downhill immer wieder Anstiege und sich ewig hinziehende Flachpassagen ab. Ein zermürbendes Profil für mich, und auch beim Downhillen lief es nun nicht mehr ganz so rund! Hier traf ich auch wieder auf den männlichen Part der Häsin – dem die Strecke nicht ganz so leicht fiel wie seiner Partnerin. (Wie ich später erfuhr, starten die beiden, die sich Lapinsrunners nennen, immer zusammen auf Läufen rund um die Welt – und immer mit Hasenohren)
Immerhin, auf den letzten 500 Metern konnte ich noch einen kleinen Endspurt einlegen, aufgepeitscht durch die johlenden Zuschauer am Rand. Endlich nach 11:36 Stunden Zieleinlauf über den roten Teppich in die Halle – genial!
Auf dem Weg zum Auto, den ich mit den grazilen Bewegungen einer 90jährigen zurücklegte, fragte ich mich, wie ich den nächsten Tag überstehen sollte – und war froh, nur 25 und nicht 59 km laufen zu müssen!
So eine lange Autofahrt direkt nach einem solchen Rennen ist nicht gerade ideal, und ich war froh, dass ich nicht zu Krämpfen neige – trotzdem, angenehm ist anders! Zu Hause dann noch schnell eine Runde Blackroll, etwas essen und ab ins Bett!
Zweite Etappe: MAC VI, 25 km 1000 D+
Ein weiterer Vorteil meiner Ummeldung war sicher auch die humanere Startzeit: 10:00 statt 8:00 wie bei der 59er, d.h. erst um 7 Uhr aufstehen! Beim Aussteigen aus dem Auto konnte ich mir noch nicht vorstellen, überhaupt laufen zu können, aber das erste Einlaufen tat Wunder. Aus meiner Erfahrung von gestern hatte ich auch gelernt und mich für die Barfußschuhe entschieden! Doch so ganz traute ich meiner neugewonnen Freiheit noch nicht – ich entschied mich doch dafür, die Stöcke wieder mitzunehmen und packte mir erneut den Rucksack auf den Rücken – obwohl ich beide für die kurze Strecke eigentlich gar nicht gebraucht hätte.
Was für eine Wohltat, in den leichten Barfußschuhen zu laufen! Laufend erholten sich so meine von der Langstrecke geschundenen Füße – klar, die Beine waren noch etwas schwer, aber es lief viel viel besser als erwartet!
Die Kunst hier war es nun, sich nicht von den schnellen Kurzstrecklern aus der Ruhe bringen zu lassen, die ausgeruht an den Start gegangen waren und so liefen, als gäbe es kein Morgen! Überhaupt so ein Phänomen bei den Trails bis 30 km – naturgemäß eine ganz andere Klientel als bei den Ultraläufen: verbissener, mehr auf Zeiten konzentriert. So wie Straßenläufer, und bei den kurzen Distanzen tummeln sich eben auch viele Straßenläufer, die auch mal Trail ausprobieren wollen. Der hohe Anteil an Straßenschuhen bei diesem Lauf sprach für sich. Nicht falsch verstehen, auch ich liebe ab und an schnelle Läufe – doch hier war ich im Ultramodus unterwegs und ich vermisste den familiären Touch, so wie ich ihn am Vortag erlebt hatte.
Dafür strahlte heute die Sonne vom Himmel, die gestern den ganzen Tag auf sich hatte warten lassen. So konnte ich die tolle Strecke bei bestem Wetter genießen! Und es lief erstaunlich gut!
Herrlich, so leichtfüßig durch die Gegend zu laufen, auch wenn die Beine zugegebenermaßen schon ein wenig schwer waren von der gestrigen Hammertour. Die Kraxeleien über umgefallene Bäume hielten sich heute zum Glück in Grenzen und auch der Anstieg zum Grand Wintersberg fiel mir heute viel viel leichter. Was für eine Überraschung, dort oben auf Bekannte unter den Zuschauern zu treffen! Sowas motiviert doch gleich noch mehr und nach einem kurzen Aufenthalt an der VP ließ ich es einfach rollen – und während des Laufens wurden die Beine immer lockerer und leichter. Auf dem finalen Downhill konnte ich sogar noch einmal richtig Fahrt aufnehmen und überholte sogar noch eine große Zahl anderer Läufer. In 3:22 Stunden kam ich ins Ziel – und es fühlte sich so gut an, dass ich noch 30 km hätte dranhängen können 🙂 Wer weiß, beim nächsten Mal sicher – denn nun habe ich keine Zweifel mehr, dass ich es kann!
Weniger ist also manchmal mehr, das gilt sowohl für die Wahl der Streckenlänge als auch für das Equipment oder den mentalen Ballast, den man vielleicht unnötigerweise mit sich rumschleppt.
Eindrücke vom Lauf gibt’s im Video von den Lapinsrunners – und bei Min 8:36 bin ich sogar kurz zu sehen 🙂
Und wie immer, auch hier die Streckenprofile:
Le Défi des Seigneurs:
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La MAC VI:
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