….oder wenn man nach km 4 Marathon schon merkt, dass es kein guter Lauftag wird
Voll motiviert haben wir uns die doppelte Packung bei der Premiere des Gletscher Run im Ötztal gesichert und uns angemeldet für den Top Mountain Star Night Run (12,2km mit 1280hm) und den Marathon am Folgetag (42,1km mit 2785hm). Es hätte auch eine kürzere Strecke gegeben am Samstag, aber wir wollten ja das ganze Programm bei der Premiere dieses Trail-Events in Obergurgl.
Das Ötztal hat fest vor, sich als Trailrunning-Gebiet zu etablieren und diese Veranstaltung ist mit Sicherheit einer der Bausteine dafür in der Zukunft.
Aber zurück zu unserem Vorhaben: die doppelte Packung – so mussten wir feststellen – wollten außer uns nur 2 andere verrückte Läufer 😉 auf sich nehmen, eine davon Kathi Schichtl vom Salomon Trail Running Team.
Am Anreisetag in Obergurgl haben wir von der Unterkunft aus schon einen Teil der Strecke gesehen und zur Anpassung an die Höhe am nächsten auch gleich schon mal die Seenplatte unter die Trailschuhe genommen. Akklimatisierung ist beim Lauf auch dringend geboten, denn man ist permanent auf Höhen zwischen 2000 und 3000 Metern, den größten Teil davon etwa um die 2500 Meter über Null. Nach dem Top Mountain Star Night RUN und der späten Heimkehr in die Unterkunft, fragten wir uns schon ob das wirklich so eine tolle Idee war beide harte Läufe anzugehen….aber egal: gebucht, geplant und dann wird’s auch gemacht.
Beim Start am Samstag herrschte bestes Wetter, gute Laune im Startfeld und voll motiviert, aber doch noch müde von den Vortagen ging es auf die Strecke.
Die ersten 4 Kilometer sind exakt wie am Vortag. Es geht fast nur leicht bergab, aber nach 4km an der Seilbahn vorbei statt nach oben und einen weiteren Kilometer an bzw. über die Straße (wo vorbildlich der Verkehr umgeleitet und von der Polizei eingewiesen wurde).
Nach der kurzen Phase auf der Straße ging es direkt wieder auf den Trail durch die Wiese in einen kleinen Wald in Richtung V1 bei Kilometer 6. Was soll ich sagen? 5 Kilometer, eigentlich nur abwärts und schon keine Lust mehr. Keine Lust auf Laufen, keine Kraft in den Beinen…müde ohne Ende. Der Mann mit dem Hammer beim Marathon bei Kilometer 3,5 statt 35? Den schien es heute auch zu geben.
Der folgende erste Anstieg des Tages 4km mit 600 hm (also 15% im Schnitt) hoch zur Seenplatte machte es auch nicht angenehmer. Da beschlossen wir schon: sch…drauf. So macht das keinen Spaß, aber dafür sind wir ja hier. Wir laufen noch über die schöne Seenplatte (wirklich toll!) und dann biegen wir ab nach unten zur Unterkunft (also unseren Ankunftslauf vom ersten Tag in umgekehrter Richtung).
Als wir zum Abzweig kamen – links zur Unterkunft runter, rechts hoch weiter auf der Strecke – war auch klar: einfach abhauen ging nicht – nachher schicken die noch die Bergwacht los, weil wir verschwunden sind. Also neuer Plan: wir nehmen gemütlich den VP noch mit, es waren ja auch noch einige Läufer hinter uns, und melden uns dann ab. DNF? Sch….egal. Soll ja Spaß machen und wenn das mit der Lauferei nach den harten Tagen nicht rund läuft – warum wandern am Rande des Zeitlimits oder müde später noch im Downhill stürzen?
Also bald raus, die Natur genießen und….ja wirklich: die Landschaft dort ist fantastisch.
Der nächste VP kam dann auch bei km 16,8, aber irgendwie war es zum höchsten Punkt ja nur noch 4,5km mit 700 hm (!) mehr und danach soll ja die geniale Hängebrücke kommen….Martinas persönliche Höhenangst-Challenge! Also wieder mal sch…drauf – nehmen wir das halt mit, das Feld hinter uns existierte ja immer noch und dann steigen wir halt danach aus. Auf ging’s also zum Ramolhaus auf 3002 m Höhe. Sehr steil in der 2. Hälfte, etwas technisch bergauf und wie wir feststellten: den gleichen Weg ging’s auch wieder runter. Sicher kein High-Speed Downhill, aber wie sich später rausstellte, besser laufbar als gedacht. Oben am Ramolhaus pausierten wir dann erst mal ein bisschen und trafen auch noch nette Leute, die dort halfen und auch von den Läufern hinter uns kamen noch einige an.
Im Downhill war dann Konzentration angesagt, aber auch einfach nur Staunen, denn der Wind stand gut und die Murmeltiere haben uns teilweise zu spät wahrgenommen und man konnte einige in freier Wildbahn sehen und hören (der Warnschrei ist ganz charakteristisch, mit dem die Aufpasser den Rest der Bande warnen ;-).Nach einem technischen Downhill folgten Passagen über schmalste Singletrails, durch matschige Passagen, über Geröll, Wiesen…..Trailrunning vom Feinsten!
Der Weg zur Piccard Hängebrücke war dann einige hundert Meter sehr technisch mit Steigeisen, seilgesicherten Passagen und nassem Fels, aber sehr gut passierbar. Die Brücke selbst ist einfach fantastisch….sie schaukelt nicht wirklich, bietet aber freien Blick nach unten und über fantastische Felslandschaft sowie Gletscher und viele Gebirgsbäche. Nix für Leute mit Höhenangst, da man auf die Brücke und danach auch eine Leiterpassage bewältigen muss….ach ja Höhenangst – da war doch was.
Martina ging ohne Pause über die Brücke, nicht entspannt, aber zügig drüber. Nun hatten wir die beiden Hauptevents des Tages: höchster auf über 3000 Metern und die Hängebrücke. Gut, dass wir nicht schon nach 10km raus waren, aber am Plan nächstmöglich rauszugehen hielten wir fest. Nach der Brücke ging es zügig über großes Blockwerk und in die nächsten Donwhillpassagen mit Steigeisen, Seilen und Tritten….sehr technisch, nicht laufbar, aber einfach superschön. Bei all der Schönheit und Technik kam aber die Sicherheit nicht zu kurz: an allen gefährlichen Passagen war Bergwacht anwesend, die auf die Sicherheit der Teilnehmer geachtet hat mit Hinweisen, guter Laune und Fahrzeugen in der Nähe (soweit machbar).
Nun endlich, bei km 29 haben wir uns dann auch von der offiziellen Strecke verabschiedet und die Abkürzung nach Obergurgl genommen….immerhin 25km später als der erste Unmutsanfall hätte vermuten lassen und zum Glück, denn sonst hätten wir eine tolle Landschaft und fantastische Strecke verpasst. Auf den letzten Kilometern hatten wir dann auch Begleitung von einigen anderen, die auch abkürzen wollten oder das Zeitlimit nicht geschafft hatten am VP davor. So kam dann eine kleine gut gelaunte Gruppe ins Ziel, wo ebenfalls beste Stimmung herrschte. Alles in allem war es ein toller Trailtag, wenngleich wir den Marathon nicht beendet haben auf der vollen Distanz.
Nachtrag (Martina): Zum Schluss gabs dann nochmal eine ganz besondere Überraschung: Bei der Siegerehrung wurde ich als 2. AK aufgerufen und bekam einen tollen Siegerpokal überreicht. Damit hätte ich gar nicht gerechnet, denn ich war ja eigentlich aus dem Rennen. Aber da ja an dem Tag mein Geburtstag war, gabs sozusagen einen Ehrenpreis 🙂
In Kurzfassung nochmals zur Strecke: die ersten 6 Kilometer sind perfekt zum Einrollen, der Anstieg danach ist stramm, aber gut machbar und die Passage über die Seenplatte super laufbar. Der Anstieg zum Ramolhaus ist vor allem wegen der Höhe anspruchsvoll. Wie überhaupt der ganze Trail, eingangs – schon beschrieben- meist um 2500 Meter Höhe stattfindet. Es ist also sicher kein Einsteigertrail und an den zahlreichen technischen Passagen sollte man frisch und ausgeruht sein. An den Limitzeiten entlanghangeln ist keine gute Idee, denn die sind von V3 nach V4 so knapp bemessen, dass man schon vorher zügig dabei sein muss. Das ist alles sehr gut machbar, man kann sich nicht verlaufen, Verpflegung, Sicherheit, Alternativen bei Schlechtwetter….alles gegeben. Bei der Begeisterung für das Trailrunning und das Event vom Veranstalter ist das aber auch kein Wunder.
Mit solchen Events kann und muss das Ötztal in der Trailrunning-Gemeinde punkten. 2018 soll es eine Folgeedition geben, die nicht so mit anderen Events (dieses Mal Großglockner Ultra) kollidiert. Fazit in kurzen Worten: fantastisches Trail-Wochenende im Ötztal und 100% Wiederholungsgefahr!
Link zur Veranstaltung: Gletscherrun
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