Laufen auf Mallorca während der Corona-Zeit: in Spanien herrschen seit 15.03. strikte Ausgangsbeschränkungen. Sport im Freien in der Öffentlichkeit außerhalb privater Grundstücke ist komplett verboten. Doch die Not macht erfinderisch: In diesem Artikel berichtet meine Freundin Julie, die auf Mallorca auf einer kleinen Finca lebt, von ihrem virtuellen Osterlauf auf ihrem Grundstück – mit ein paar tierischen Sportzeugen.
Kleiner Hinweis zur Zählung der Tage in diesem Artikel: Julie ist zwischen zwei beruflichen Einsätzen drei Wochen zu Hause auf der Insel, deshalb beginnt der Lockdown bei ihr erst am 26.03.
Gastbeitrag meiner Freundin Julie aus Mallorca:
Tag 18 im Lockdown auf den Balearen. Keine guten Voraussetzungen für ausgedehnte Läufe durch die Berge. Am Tag 5 war ich zum Einkaufen von Lebensmitteln ins Dorf gejoggt, eine Acht-Kilometer-Runde, deren Schnittgeschwindigkeit zum Wohle des Kistchens Erdbeeren im Rucksack auf dem Rückweg einbrach. Auf halbem Wege nach Hause adoptierte ich noch ein kleines Zicklein, welches auf den letzten eineinhalb Kilometern ziemlich laut meckerte.
Am Tag 10 wiederholte ich die Runde, diesmal ohne Ziege, dafür mit einem großen Rucksack voller Wäsche, denn auch die Benutzung von Selbstbedienungs-Waschsalons ist erlaubt. Leider stoppte mich auf dem Rückweg die Polizei und stellte mir 600 Euro Bussgeld in Aussicht, sollten sie mich noch einmal zu Fuß auf dem Weg ins Dorf aufgreifen. Zwar erlaubt die Notstandsverordnung die Benutzung des Autos, sieht sie aber nicht verpflichtend vor. Unsere örtliche Polizei interpretiert die Verordnung anders und verbietet sogar die Benutzung von Fahrrädern. Wer auf dem Land lebt und kein – oder ein kaputtes – Auto hat, hat also Pech und darf nicht ins Dorf, um lebenswichtige Erledigungen vorzunehmen.
Meine Ausrede, um wenigstens gelegentlich laufen zu gehen, war somit hinfällig.
Lediglich ein Mal noch konnte ich eine kleine Runde traben, in einer lauen Frühlingsnacht unter einem hellen Dreiviertelmond.
In der Nachbarschaft brannte es und die Feuerwehr fand den Brandherd nicht. Es brauchte nicht viel Überredungskunst, mich aus meinen vier Wänden zu locken, um ihnen die ungefähre Position zu zeigen. Bis sie vor Ort waren, war das Feuer aus, und ich trabte zufrieden wieder nach Hause.
Die Idee eines virtuellen Osterlaufes begeisterte mich. Ich installierte Runtastic auf meinem Mobiltelefon und arbeitete eine Route durch den Garten aus: Vom Tor der Pferdekoppel rechts herum in Richtung Westen, unter dem Pferdeunterstand hindurch, an den Wassertonnen und der Strohraufe vorbei, am Misthaufen entlang mit einer Linkskurve zur Rückseite des Grundstückes. Am Baumstumpf wiederum links, am Zitronen- und Orangenbaum meines Nachbarn vorbei bis zum östlichen Ende der Koppel.
Nicht über die Futtertröge stolpern.
Eine weitere Linkskurve zum Ausgangspunkt. Gut 200 Meter mass eine Runde. Ich trabte vier Kilometer auf meinem prähistorischen Garmin 310… und musste feststellen, dass Runtastic zu wenige Wegpunkte setzt, um mit den zahlreichen engen Kurven klarzukommen.
Es registrierte nur etwa zwei Drittel der gelaufenen Distanz. Also würde ich das Garmin benutzen und zudem zwei zuverlässige Sportzeugen einsetzen.
Gegen Abend des Ostersonntags waren die Bedingungen ideal. Wechselnde Bewölkung brachte leichte Abkühlung, der zuvor böige Wind hatte nachgelassen.
Zum Aufwärmen sammelte ich die Pferdeäpfel von der Rennstrecke und schob den Misthaufen, den die Hühner auseinandergerissen hatten, wieder zu einem Misthaufen zusammen. Dabei sah ich aus dem Augenwinkel, wie alle vier Pferde in der Nordwestkurve synchron auf meine Rennstrecke äpfelten. Folglich verzögerte sich der Rennbeginn leicht, während ich nochmals mit Schubkarre und Schaufel loszog.
Der Start des Rennens war unspektakulär. Sportzeugin Taca steckte noch in der Hafertonne. Sie bemerkte erst einige Minuten später, dass der Wettbewerb bereits begonnen hatte und kam Kapriolen schlagend über die Koppel getobt.
Sportzeugin Chispa hingegen war vom ersten Moment an mit größter Aufmerksamkeit bei der Sache, erwartete mich bei jeder Runde am Pferdeunterstand und begleitete mich bis jenseits der Strohraufe.
Dann wandte sie sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe zu: Unordentlich durcheinanderwuselnde Schafe oder Pferde zu einer ordentlichen Herde zusammentreiben.
Bereits nach einem halben Kilometer kam es zu ersten Behinderungen. Rund um die Futtertröge lagen noch vereinzelte Haferkörner, die die ausgehungerten Equiden genau jetzt suchen mussten. Dazu stellten sie sich kreuz und quer auf die Rennstrecke, so dass ich ziemlich viele Haken schlagen musste.
Bei Kilometer zwei zwangen mich zwei andere Teilnehmerinnen, das Tempo zu drosseln und vereitelten mehrere Überholversuche. Eine von ihnen, ein weißes Huhn, schied später aus dem Rennen aus, aber das rote Huhn, in nach langer Mauser nagelneuem Federkleid, schlug sich tapfer.
Bei Kilometer fünf begann ich, einen Osterhasen auf das GPS zu malen, was dadurch erschwert wurde, dass ich (a) keine Bodenmarkierungen ausgelegt hatte und (b) die Pferde nun fanden, sie müssten genau dort stehen, wo das zweite Ohr hätte sein sollen. Der Osterhase bekam also ein Knickohr.
Nachdem der Osterhase mehr schlecht als recht gelungen war, trabte ich wieder meine großen Runden – nur dass jetzt alle Pferde nacheinander Durst verspürten und mir den Ausgang des Pferdeunterstandes blockierten.
Sportzeugin Taca hatte inzwischen einen Ausguck auf der Ziegenkoppel erklommen und meckerte aufmunternd zu mir herüber. Der alte Ziegenbock Sineu übernahm in der Zwischenzeit die Aufsicht über das junge Zicklein Bumblebee. Die Schafe hatten sich zum Wiederkäuen am Rande der Rennstrecke niedergelassen und betrachteten das Geschehen nachdenklich.
Nach ziemlich wenigen Rechts- und sehr vielen Linkskurven schließlich beschlossen das rote Huhn und ich, es für heute gut sein zu lassen. Chispa hatte Hunger, die Pferde ebenfalls, und wenn ich den Hühnern, die mit großer Begeisterung ihre gesamte Eierproduktion selbst zu vertilgen pflegen, zuvorkommen wollte, war es höchste Zeit zur Eiersuche. Eine durchaus österliche Tätigkeit.
Distanz 10 km, Zeit 1h05.
Vielen Dank für die schöne Idee dieses virtuellen Osterlaufes!